Die Malerei des 19. Jahrhunderts beschäftigt in der Gegenwart Wissenschaft und Medien gleichermaßen. Dabei spielt unter anderem auch Gisbert Flüggen eine Rolle.
So kommt zum Beispiel 1967 Ute Immel in ihrer Dissertation “Die Deutsche Genremalerei im 19. Jahrhundert” zu der Einschätzung, dass Gisbert Flüggen einen eigenen “Typus der Gesellschaftsmalerei” mit ins “sozialkritische tendierenden Darstellungen” geschaffen habe. Er beschäftige sich dabei “vorwiegend mit konfliktreichen Gesellschaftsdarstellungen”, die er aber ohne “Tendenz zu sozialer Anklage” zeige. Gisbert Flüggen habe zudem versucht, mit Hilfe eines “historisierenden Zuges” das Ansehen der Genremalerei aufzuwerten, was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Nachahmer gefunden und sich zur Ausdrucksform der “Historischen Genrebilder” entwickelt habe.
Die Niederländerin Ruth Krul geht 2006 in ihrer Doktorarbeit “BEELDEN VAN HISTORISCH LEVEN historisch genre in de negentiende-eeuwse schilderkunst van Midden-Europa” unter anderem auch der Frage nach, welchen Einfluss Gisbert Flüggen auf andere Maler seiner Zeit gehabt hat. Zu dem Verhältnis zwischen Flüggen und dem bekannten Düsseldorfer Maler Johann Peter Hasenclever stellt sie fest: “Dass beide Maler sich während Flüggens Studium in Düsseldorf kennen gelernt haben, scheint sicher, und sie werden sich auch in München für die Arbeit des jeweils anderen interessiert haben.” Unter Hinweis auf andere Fundstellen macht sich Krul zudem die Aussage zu eigen, dass “Flüggens ironische, in einem bürgerlichen Milieu platzierte Darstellungen auf Hasenclever Einfluss gehabt haben und nicht anders herum. Auch für Carl Spitzwegs Bilder und seine überwiegende Wahl für Figuren aus städtischem und (klein)bürgerlichem Milieu soll Flüggens Münchner Arbeit Beispiel gewesen sein.”
Andererseits wird auch Flüggen von anderen Künstlern beeinflusst worden sein. Im Zusammenhang mit dem gemeinsam von Flüggen und dem Aachener Maler Franz Reiff gemalten Bild Ländlicher Tanz (Die Tanzstunde im Freien) schreibt die Kunsthistorikerin Martina Dlugaiczyk in einer Miszelle in den Aachener Kunstblättern (Band 65 . 2011-2013), es „müsste darüber nachgedacht werden, ob sich Bezüge zu Daniel Nikolaus Chodowieckies (1726-1801) Bilderfolge ‘Natürliche und affectirte Handlungen des Lebens’ herstellen lassen. Gerade die affektierte Körperhaltung des Tanzlehrers und der Rückgriff auf die schmalen, überlängten Anatomien des Rokoko, lassen dies – neben den inhaltliche Bezügen – wahrscheinlich werden. Dafür spricht ferner eine erhaltene Vorzeichnung, in der die Hauptprotagonisten – das tanzende Paar – im Fokus stehen. Im Vergleich mit dem ausgeführten Gemälde zeigt sich hier eine gänzlich andere Körperhaftigkeit. Die Zeichnung entstammt der Hand von Flüggen. Welchen Anteil Reiff an der Gemäldekomposition hatte, ist unklar. Möglicherweise zeichnete er für den Hintergrund des Bildes verantwortlich; frühe Landschaftsgemälde von Reiff sind zumindest schriftlich bezeugt und die, wenngleich erst um 1875 entstandene ‘Waldnymphe’ verdeutlicht seinen sicheren Umgang mit Landschaft als vegetabile Kulisse. Bereits 1921 urteilt Gast ‚Dass Reiff aber auch, was weniger bekannt ist, ein ausgezeichneter, die Natur frisch und unmittelbar erfassender Landschafter ist, das zeigt sich in einigen Naturstudien (…), die in seinem Nachlasse sich fanden’. Dennoch scheint auch die Partielle Beteiligung an der figürlichen Ausstaffierung des Bildes ‘Die Tanzstunde im Freien‘ denkbar, gleichwohl der eine Generation ältere und damit vermeintlich erfahrenere Flüggen hierbei vermutlich den Vorrang hatte. Unabhängig davon stand den Malerkollegen nur knapp ein Jahr für die Zusammenarbeit zur Verfügung, da Reiff nachweislich erst im Oktober 1858 in München gemeldet wurde und Flüggen im September des darauffolgenden Jahres verstarb.“
Eine anderes Thema ist der heutige Stellenwert der Malerei des 19. Jahrhunderts. Dazu interviewt 2011 “Die Welt” den Autor des Bestsellers “Generation Golf” und neuen Verantwortlichen des Berliner Auktionshauses Villa Grisebach für die Malerei des 19. Jahrhunderts, Florian Illies: “Bis auf wenige Ausnahmen, allen voran Caspar David Friedrich, hat die Kunst des 19. Jahrhunderts einen relativ schlechten Ruf. Wie erklären Sie sich das?” Der antwortet: “Schlechter Ruf? Das ist vorüber.” Das 19. Jahrhundert habe es aber lange schwer gehabt, das stimme. Interessanterweise sei es schon vergessen gewesen, kurz nachdem es vorbei gewesen sei. Einerseits sei diese Kunst der Romantik überrollt worden von der technischen Revolution und dann von der Moderne, die das Gefühl erweckt habe, neue Zeiten bräuchten eine neue Kunst. Aber das größte Problem für die Kunst des 19. Jahrhunderts sei gewesen, dass sie in ihrer vermeintlichen Heimeligkeit von den Nationalsozialisten gemocht worden sei. Das habe diese Kunst für die folgende Generation diskreditiert.
Auf die Frage “Ist es nicht vor allem der Geist der Romantik, der ideologische Überbau, der es uns heute schwer macht, uns auf diese Kunst einzulassen?” sagt Illies: “Nein, ich glaube, genau dieser Geist der Romantik ist es, der uns heute wieder fasziniert.” Das sei ja Zivilisationskritik, bevor die Industrialisierung überhaupt angefangen habe! Und man könne oft auch erst aus dem zeitlichen Abstand sehen, was für außergewöhnliche Malerei entstanden sei, jenseits der manchmal etwas erzählerischen Motivwelt. “Schauen Sie sich den manchmal belächelten Spitzweg an”, so Illies weiter. Sobald man sich an die Ränder der Bilder begebe und sich anschaue, wie er die Gräser, die Himmel und die Bäume gemalt habe, sei man bei einem der größten deutschen Landschaftsmaler der Jahrhundertmitte.
“Das klingt, als müssten Sie jungen Sammlern erklären: ‘Denkt euch mal die Sujets weg, all die Grotten, Ruinen und Fischerboote'”, sagt der Fragesteller und bekommt als Antwort: “Es wird Sie überraschen: Aber man muss gar nicht so viel erklären. Ich habe das Gefühl, dass die Zeit gekommen ist auch für jüngere Kunstliebhaber, sich dem 19. Jahrhundert unbefangen zu nähern.” Was diese Malerei auszeichne: Es gehe um reine Naturempfindung und um eine reine Seelenempfindung. “Und wenn ich die gegenwärtigen Zeitgeistanalysen lese, dann ist es so ziemlich genau das, was anno 2011 von den Menschen bei ihrer Sinnsuche gesucht wird.”
Daran hat sich bis heute augenscheinlich nichts geändert.