Die Prozess-Entscheidung

Die Prozess-Entscheidung – kolorierte Galvanografie von Franz Hanfstaengl, die sich im Privatbesitz der Familie befindet.

“Eine der umfangreichsten Kompositionen des Künstlers”, heißt es in der Ausgabe 684 der “Illustrirten Zeitung” vom 9. August 1856, “ist sein ‘Prozeß’, im Besitz des Herrn Stadtraths Jacobs in Potsdam. Die Scene geht in einem großen alten Gerichtssaal im Renaissancestil vor. Dort wurde soeben ein wichtiger langjähriger Prozeß beendet und zwar zu Gunsten einer armen Familie, deren letzte Mittel bereits erschöpft waren, gegen eine reiche aristokratische Familie. Diese glückliche Wendung ist einem jungen edlen Advokaten zu verdanken, der sich ebenso voll Eifers und Geschicks als uneigennützig der Hartbedrängten annahm.  Der edle Vertheidiger ist umringt von Personen, welche ihm ihren wärmsten Dank, ihre innigste Verehrung darbringen. Höchst interessant sind die Gegensätze auf der andern, auf der verlierenden Seite dargestellt. Da steht der besiegte Anwalt mit verschmitzten Zügen, achselzuckend sich entschuldigend; er hat bei seiner Partei die entgegengesetzten Emfindungen, statt Dank Vorwürfe, statt Verehrung Verachtung, Zorn und Wuth hervorgerufen. Der Aristokrat im reichen Kleide gießt von Zorn glühend seine Verwünschungen über ihn aus. Man meint, man höre ihn den Anwalt anherrschen, er solle sich für immer aus seinen Augen entfernen. Sogar der Bediente, der seinem Herrn behülflich ist den Mantel anzulegen, um fortzugehen, wirft zornsprühende Blicke auf den Advokaten, denn augenscheinlich trifft auch ihn dieser Schlag mit.

Figurenstudie zu Die Prozess-Entscheidung

Vollends vernichtend ist Haltung und Blick der Ehehälfte des verlierenden Barons. Stolz, Hohn, Verachtung, Wuth, können nicht lebendiger ausgedrückt werden., als sie in diesem Weibe dargestellt sind. Sie ist umgeben von Papieren und Akten, und wahrscheinlich war sie’s, welche diesen Prozeß so in die Länge zu ziehen wußte; denn Weiber verstehen das Proßessiren oft besser als Männer. Doch auch hier drängte es den hochgesinnten Künstler das Widerliche einigermaßen zu mildern; neben der furiösen Mutter steht die schöne Tochter, in ihr leben bessere Gefühle, voll Theilnahme blickt sie auf die gegenüberstehende Gruppe. Im Hintergrunde auf erhöhter Tribüne erblickt man die Gerichtsherren voll gravitätischer Würde. Ein Theil derselben hat sich von ihren Sitzen erhoben und deutet dadurch das Ende der Verhandlung an. Von diesem meisterhaften Bilde lieferte Hanfstängl eine galvanographische Kopie.”

Sie gilt als die größformatigste Gerichtsszene in der deutschen Grafik des 19. Jahrhunderts.

Wo sich das Originalgemälde heute befindet, ist unbekannt. Eine um 1847 datierte Ölstudie (80 x 105 cm) zu dem Gemälde befindet sich im Besitz der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München, die die Studie nach eigenen Angaben 1934 erworben hat.