Ländlicher Tanz

Ländlicher Tanz oder auch Tanzstunde / Tanzstunde im Freien (Mitte 19. Jh., Öl auf Leinwand, 92 x 106, signiert). Das Bild befindet sich im Staatlichen Museum Simferopol auf der Krim in der Ukraine.

Das Gemälde Ländlicher Tanz ist eine gemeinschaftliche Arbeit von Gisbert Flüggen und Franz Reiff, die beide Künstler signiert haben. Reiff war ein 1835 in Aachen geborener Bildnis- und Historienmaler, der unter anderem bei  Carl Theodor von Piloty an der Akademie in München gelernt und sich in seiner Heimatstadt vor allem durch die testamentarisch verfügte Gründung des Reiff-Museums einen Namen gemacht hat.

Insofern verwundert es nicht, dass das Gemälde  zunächst im Besitz des Aachener Suermondt-Museums (später Suermondt-Ludwig-Museum) war, das das Bild im Zweiten Weltkrieg zum Schutz vor Bombardierungen mit vielen anderen Werken in die Meißener Albrechtsburg ausgelagert hatte. Von dort wurde es zusammen mit den anderen Werken wahrscheinlich unmittelbar nach dem Krieg von der Roten Armee beschlagnahmt und in die Sowjetunion gebracht. Heute befindet sich das Gemälde im Staatlichen Kunstmuseum Simferopol auf der Krim in der Ukraine.

Eine Abbildung des Gemäldes wurde vom 6. September 2008 bis 8. Februar 2009 im Rahmen der Ausstellung “Schattengalerie – Verlorene Werke der Gemäldesammlung” im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen gezeigt und im Katalog unter der Nummer 197 wie folgt beschrieben:
TANZSTUNDE (DIE TANZSTUNDE IM FREIEN)
Mitte 19. Jh.
Öl auf Leinwand, 92 x 126 cm; signiert unten rechts:
“G. Flüggen Franz Reiff”
Inv. Nr. GK 156
Herkunft: unbekannt
Verbleib: Staatliches Kunstmuseum Simferopol, Krim, Ukraine
Beschreibung im Katalog von 1932: “Vor der Wand eines Hauses sitzen im Schatten eines Baumes eine alte u. zwei junge Damen beim Kaffee. Sie schauen zu, wie ein blondes junges Mädchen den Schritten eines alten Tanzmeisters folgt. Eine der jungen Damen am Tisch spielt dazu die Zither.”

So hängt Ländlicher Tanz (unten rechts) im Staatlichen
Kunstmuseum Simferopol auf der Krim in der Ukraine.

In dem Band “SCHATTENGALERIE – SYMPOSIUM ZUR BEUTEKUNST”, der anlässlich des vom 29. bis 31. Januar 2009 gehaltenen Symposiums im Rahmen der oben erwähnten Ausstellung von Dr. Heinrich Becker herausgegeben worden ist, wird das in Simferopol hängende Flüggen-Gemälde im Anhang auf Seite 203 gezeigt.

Zudem wird in dem Band der Redebeitrag von Larina Wladimirowna Kudryaschowa, der Direktorin des Museums, auf dem Symposium wiedergegeben. Unter anderem führte sie aus: “Der Zweite Weltkrieg wurde zu einem tragischen, fatalen Ereignis für die Sammlung des Kunstmuseums Simferopol. Der größte Teil der Vorkriegskollektion ging 1941 bei der Bombardierung im Hafen Kertsch verloren … Dieses tragische Schicksal der Gemäldegalerie Simferopol blieb natürlich nicht ohne Aufmerksamkeit des Kulturministeriums der UdSSR. Nach Abschluss der Wiederaufbauarbeiten 1947 wurde die Sammlung des Nachkriegsmuseum durch Eingänge aus den Beständen des Russischen Museums Leningrad, der Staatlichen Tretjakow-Galerie und der Eremitage umfassend neu bestückt … 1953 kam ein Konvolut westeuropäischer Malerei hinzu, mit Arbeiten holländischer, flämischer, englischer, französischer, deutscher und italienischer Maler. In den mehr als sechzig Folgejahren zog man es vor, ihre Herkunft zu verschweigen. Die insgesamt 87 Werke galten als ‘Spezchran’ (Sonderaufbewahrung). Dieser Umstand ließ es nicht zu, die Sammlung auszustellen oder auch nur offen über ihren Aufbewahrungsort zu sprechen.

47 der 87 Exponate galten als Werke unbekannter Maler. Titel und Malernamen, die in der Akte angegeben waren, gaben nicht selten ebenfalls Fragen auf. Es galt Zuschreibungen zu finden oder, bei den Gemälden, zu denen diese schon vorhanden waren, Werktitel und Künstlerangaben zu präzisieren. Während der Arbeit mit dem Konvolut wurden zahlreiche Korrekturen an der Schreibweise von Vor- und Nachnamen der Künstler wie auch der Titel vorgenommen, ein Teil der Arbeiten konnte zugeschrieben werden.

Auf Initiative der Museumsleitung wurde am 8. November 2007, mit Unterstützung der Regierung der Autonomen Republik Krim und des Departements der Ukraine für die Auslagerung der Kulturgüter über die Staatsgrenze, die Sammlung zum ersten Mal im Kunstmuseum Simferopol ausgestellt. Im Dezember 2008, nach dem Erscheinen des Verlustkatalogs des Aachener Suermondt-Ludwig-Museums ‘Schattengalerie. Die verlorene Werke der Gemäldesammlung’ wurde festgestellt, dass 68 der ausgestellten Gemälde ursprünglich diesem Museum gehörten. Mit dem Besuch der Kolleginnen und Kollegen aus Aachen im Januar 2009 zur Erforschung der Sammlung konnte diese Zahl sogar noch vergrößert werden, da im Archiv des Aachener Museums noch ausführliche Informationen über die Vorkriegssammlung vorhanden sind … Durch ihre detaillierte Erforschung lässt sich das Schicksal mancher Gemälde genauer nachverfolgen. In vier Arbeitstagen stellte sich heraus, dass manche Arbeiten aus der Schattengalerie ‘Doppelgänger’ haben: Kopien oder Autorenwiederholungen der Bilder mit unbedeutenden Veränderungen der Komposition.”

Skizze von Gisbert Flüggen zum Gemälde Ländlicher Tanz, im Familienbesitz.

Kolorierte Zeichnung von Ferdinand Flüggen,
Enkel von Gisbert Flüggen nach obiger Skizze,
ebenfalls im Privatbesitz der Familie.

Von dem Gemälde Ländlicher Tanz existiert noch ein zweite Variante, die als Foto in dem “Flüggen-Album” von Joseph Albert enthalten ist, das sich in der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung im Sommerpalais in Greiz befindet. Auf der Fotografie ist zu sehen, dass statt des alten Tanzlehrers ein Junge mit dem blonden Mädchen tanzt. Dieses Gemälde ist ebenfalls von Gisbert Flüggen und Franz Reiff signiert, das Blatt mit der Fotografie jedoch nur von Gisbert Flüggen. Welche Gemäldevariante die ältere ist, lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht bestimmen.

Eine zweite Variante des Gemäldes Ländlicher Tanz von Gisbert Flüggen und Franz Reiff, fotografiert nach dem Originalgemälde und unter Anleitung des Künstlers von dem Hof-Fotografen Joseph Albert. Das von Gisbert Flüggen signierte Blatt ist Bestandteil des “Flüggen-Albums”, das zu Teilen im Besitz der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung im Sommerpalais in Greiz ist und dort eingesehen werden kann.