Die letzten Augenblicke Friedrich Augusts König von Sachsen

Die letzten Augenblicke Friedrich Augusts König von Sachsen als Holzstich aus der “Illustrirten Zeitung” (Leipzig) vom 9. August 1856.

König Friedrich August II von Sachsen verunglückte im Sommer 1854 mit seiner Kutsche in  der Nähe von Brennbichl in Tirol und erlag am 9. August 1854 im benachbarten Gasthof Neuner seinen schweren Verletzungen. Die “Innsbrucker Nachrichten” berichteten am 7. März 1855: “Der Maler Gisbert Flüggen in München hat von dem königlichen sächsischen Hofe die schöne aber auch schwierige und schmerzvolle Aufgabe erhalten, die letzten Leidensaugenblicke des Königs Friedrich August von Sachsen darzustellen (Die Scene ist die Wirthsstube in Brennbichel; der sterbende Monarch empfängt die letzte Ölung; die Adjudanten, die Träger der Bahre, die Familie des Wirthes stehen in tiefer Bekümmernis um ihn.) Flüggen will das große Bild ganz nach der Natur vollenden und geht daher in diesem Monat noch mit demselben nach Brennbichl, um dort die Bildnisse der betheiligten Personen aufzunehmen.“

Zu dem Gemälde heißt es in der “Illustrirten Zeitung” von 9. August 1856: “Indem wir des Raumes halber viele andere bedeutende Leistungen des Künstlers übergehen müssen, kommen wir endlich zur Schilderung seiner bedeutendsten und in Beziehung auf die Zeitgeschichte, aus welcher sie einen der tragischen Momente bildlich fixirt, wichtigsten Komposition, Flüggen’s Meisterwerk: ‘Die letzten Augenblicke weiland Sr. Maj. des Königs Friedrich August von Sachsen’, – im Besitze Sr. Maj. des jetzt regierenden Königs von Sachsen. – Der Künstler hat es verstanden in diesem bedeutungsvollen Bilde den historischen tragischen Moment der von allen gefühlvollen Herzen so tief beklagten Verunglückung des edlen Fürsten ebenso poetisch verklärt als menschlich rührend wiederzugeben. Ein König, fern von seinen Theuren, fern von seinem Throne und Reiche und allem königlichen Glanze, nur umgeben von einigen treuen Dienern, schreitet in einsamer Alpengegend unter einfachen Gebirgsbewohnern plötzlich durch die letzte dunkle Pforte den Weg, welcher aller Erdenkinder endliche Bestimmung ist. Wol hätte der einige Augenblicke zuvor in der Fülle der Gesundheit und Lebenslust athmende königliche Herr eher an das Versinken der um ihn sich aufthürmenden Bergesmauern denken mögen, als an seinen jähen Tod. Abgesehen von der historischen Thatsache dieser Scene, und auch ohne daß die darin handelnden Personen Porträts wären, würde schon als bloße Erfindung dieses Bild von tief ergreifender Wirkung sein. Nicht der Tod an sich ist das Besondere dieses Themas, für ihn gibt es weder eine Fremde, noch eine Heimat: es ist die erschütternde heilige Gewalt des Augenblicks, welche fremde Menschen mit einem Schlage durchdringt und sie plötzlich zu Hülfe spendenden Freunden voll innigster Theilnahme macht. Daß der Tod überall sein geheimnißvolles Thor zur ewigen Heimat urplötzlich wider alle menschliche Berechnung und Erwartung für Hoch und Niedere öffnen kann, das ist der eigentliche poetische Grundton dieser Aufgabe. Man muß gestehen, daß sie vom Künstler, im Ganzen sowie in allen Einzelheiten und Gegensätzen sehr glücklich verstanden und gelöst ist. Alles ist spannend in diesem Bilde, ohne irgend eine dramatische Effekthascherei; keine einzige Persönlichkeit, welche sich hervordrängt, um gesehen zu werden. Alle stehen, unter sich und mit der Handlung eng verbunden, in größter Einfachheit da. Es ist von Einem, der die meisten Persönlichkeiten kennt, bemerkt worden, daß eine jede Einzelne eben so meisterhaft portratähnlich als charakteristisch in ihrem Ausdrucke aufgefaßt und dargestellt ist. Die treffliche Gruppirung verdient Bewunderung, und selbst die Eigenthümlichkeit der die Scene umgrenzenden Räumlichkeit ist so lebendig und wahrheitsgetreu, daß der Beschauer sich sofort an den Schauplatz dieses schmerzlichen Ereignisses versetzt fühlt und es lebhaft empfindet, wie sehr es dem Künstler gelang, seinen Zweck zu erfüllen, nämlich sein Werk zu einem Familien- und Landesheiligthum zu stempeln. In der That, Sachsen wird dem trefflichen Künstler stets dankbar bleiben.

Entwurfsskizze von Gisbert Flüggen für Die letzten Augenblicke Friedrich Augusts König von Sachsen. Darauf fehlen noch Personen, vor allem der sterbende König.

In der Mitte der Scene sehen wir auf dem Bette den königlichen Herrn mit selig verklärtem und versöhnendem Ausdrucke in den sterbenden Zügen; über ihn beugt sich der Priester von Brennbühl, der ihm die letzte Absolution ertheilt, während des Königs linker Arm in der den Puls prüfenden Hand des Chirurgen liegt. Unfern steht der Adjudant in tiefem Schmerze über die Hülfslosigkeit, womit er das Ende seines großmüthigen Gebieters herannahen sieht. In nicht minderer Trauer gruppiren sich der königl. Kammerdiener, der Wagenmeister und der Bediente des Adjudanten um das Bett. Die junge Wirthin kniet und hält den gesegneten Wachsstock in tiefster Frömmigkeit. Die beiden Träger des verunglückten Monarchen, der alte Wirth und die übrigen Tiroler umstehen die Trauerscene, und beten inbrünstig die Worte des Priesters nach. Den Hintergrund füllen Gestalten, welche noch die dramatischen Effekte des Mitleids, schmerzlichste Theilnahme, der Angst und ehrerbietiger Neugier vervollständigen und abrunden, doch überall mit ästhetischer Mäßigung. Meisterhaft ist das ganze Arrangement der Komposition, es ist einfach und doch in bewegten wirkungsvollen Linien und Gruppen angelegt. Wirkung durch Farbenpracht ist in diesem Bilde gänzlich ausgeschlossen, da des Künstlers ganze Tendenz auf ergreifenden, dramatischen Ausdruck und scharfe Charakteristik gerichtet war. Nicht leicht mag wol aber ein Bild in Beziehung auf Färbung und wirkungsvolle harmonische Beleuchtung, bei aller Einfachheit der gebotene Farbenmittel mehr künstlerisch gefühlt und wohlthuender durchgeführt sein.”

Eine „erste Studie nach der Natur gemalt“ in Öl auf Papier und auf Leinwand gezogen (72 x 90) von Gisbert Flüggen zum Gemälde „Die letzten Augenblicke Friedrich Augusts König von Sachsen“ befindet sich heute im Bestand des Tiroler Landesmuseums (Ferdinandeum) in Innsbruck. Das Bild zeigt allerdings nicht die Sterbeszene im Gasthof Neuner, sondern die umgestürzte Kutsche des Monarchen im nahe gelegenen Pitztal bei Brennbichl.

  

Zwei Bleistiftzeichnungen (je 19,0 x 18,5) von Gisbert Flüggen, die im Frühjahr 1855 in Tirol als Personenstudien nach der Natur für das Bild „Die letzten Augenblicke Friedrich Augusts König von Sachsen“ entstanden sind.